Wertvoller als Eredivisie & Co.
Milliarden-Marke beim Marktwert geknackt: Wie nachhaltig ist das Projekt Saudi Pro League?
©TM/IMAGO
Die Saudi Pro League hat im Transfersommer 2023 neue Maßstäbe gesetzt und ihren Gesamtwert mit hochkarätigen Neuzugängen von Karim Benzema bis hin zu Neymar innerhalb weniger Wochen mehr als verdreifacht. Mit dem Transfer von Portos Otávio zu Al-Nassr knackte die Liga nun auch die Milliarden-Marke im Marktwert und reiht sich damit als ohnehin schon wertvollster Wettbewerb Asiens im internationalen Vergleich vor der niederländischen Eredivisie ein. In Kürze dürfte man in diesem Ranking auch an der Süper Lig und der Major League Soccer vorbeiziehen.
Mit 774,59 Millionen Euro an Ausgaben findet sich das Saudi-Projekt im laufenden Transferfenster im weltweiten Top-3-Ranking wieder, lediglich die Premier League gab bis dato mehr Geld für neue Spieler aus (Stand: 23. August, 9:07 Uhr). Die 18 Klubs investierten auf ihrer umfangreichen Shopping-Tour mehr als doppelt so viel in neue Akteure wie die Vereine der spanischen LaLiga. 23 der Stand jetzt wertvollsten 25 SPL-Profis sind Neuankömmlinge, an der Spitze steht mit 60 Millionen Euro Marktwert der brasilianische Superstar Neymar, für dessen Dienste der amtierende Pokalsieger Al-Hilal SFC rund 90 Millionen Euro nach Paris überwies.
Das Gesamtpaket soll den Klub für zwei Jahre rund eine Viertelmilliarde Euro kosten, denn das Gehalt beträgt dem Vernehmen nach 80 Mio. Euro pro Saison. Der TV-Sender „Sky“ berichtete gar von jährlich bis zu 150 Mio. Euro. Die sich allein hier im Spiel befindlichen Summen verdeutlichen, mit welcher finanziellen Schlagkraft die von staatlichen Investoren geförderte Liga in diesem Sommer unterwegs ist. Der zum damaligen Zeitpunkt überraschende 200-Millionen-Deal zwischen Al-Nassr FC und Cristiano Ronaldo im Januar 2023 war dabei nur der Anfang einer von vielen Experten zunächst belächelten Entwicklung.
„Die finanziellen Voraussetzungen dieser Liga sind absolut außergewöhnlich. Ich würde sagen, es gibt nahezu keine Limits. Wer Cristiano Ronaldo verpflichten kann und ihm das bezahlen kann, hat definitiv keine Limits mehr“, attestierte Jürgen Klopp, der beim FC Liverpool mit Fabinho, Jordan Henderson und Roberto Firmino im Sommer ebenfalls drei Profis an Vereine in Saudi-Arabien verlor, kürzlich bei „Sport1“.
Doch wie lange kann diese Entwicklung anhalten? Zwar hat die Liga mit ihren neuen Stars im Eiltempo das Ziel erreicht, weltweite Aufmerksamkeit zu generieren – auch in Deutschland sind die Spiele von Sadio Mané (Al-Nassr), N'Golo Kanté (Ittihad Club) oder Roberto Firmino (Al-Ahli SFC) mittlerweile über die Plattformen „DAZN“ und „Magenta Sport“ regelmäßig zu verfolgen –, legt man die reinen Regularien zugrunde, dürften die massiven Ausgaben im Sommer 2023 aber zunächst einzigartig bleiben. Denn maximal acht Ausländer sind demnach in der laufenden Saison pro Kader zugelassen und spielberechtigt.
„Inwieweit und wie lange sie das durchziehen wollen und wie groß sie werden, weiß ich nicht“, so Klopp. Letztlich müsse der Staat doch „schon das Interesse haben, den eigenen Fußball und auch eigene Spieler weiterzuentwickeln. Dann müssen auch sie in irgendeiner Form ihre Liga dahingehend limitieren, dass die Vereine ihre Mannschaft nicht nur mit Ausländern bestücken können.“
Al-Ahli verpflichtete derer beispielsweise bis Mitte August bereits sechs, Al-Hilal ebenfalls, Al-Nassr kam zu diesem Zeitpunkt auf vier. Dass es auf Sicht noch zu einer Anpassung der Ausländerregel kommen könnte, ist aber nicht ausgeschlossen. Denn auch der staatliche Einfluss auf die Liga ist in Saudi-Arabien voll auf die Entwicklung eines neuen Images ausgelegt und nicht etwa wie die massive Transferoffensive der Chinese Super League im Jahr 2017 auf die Stärkung der Nationalmannschaft. Diese wollte Staatspräsident Xi Jinping mit Hilfe der Investitionen bis 2050 zur Weltmacht im Fußball machen, weshalb neben Transfers vor allem auch in Infrastruktur und Nachwuchsarbeit investiert wurde.
Die Idee ging rückblickend betrachtet nicht auf. Die großen Stars sorgten auch hier zwar kurzweilig für Aufmerksamkeit, standen jedoch auf Sicht dem eigenen Nachwuchs im Weg. Heute sucht man sie in der Liga mit einem Gesamtwert von rund 156 Millionen Euro – der ungefähr dem aktuellen Kaderwert des Bundesligisten SC Freiburg entspricht – vergeblich. Im Vergleich: 2017 waren es noch 560 Millionen Euro.
„Unsere Klubs haben zu viel Geld verbrannt und unser Profifußball wurde nicht nachhaltig geführt“, gab mit Blick auf die Entwicklung in China bereits 2019 der Vorsitzende der CFA, Chen Xuyuan, gegenüber der Agentur „Xinhua“ zu Protokoll.
Ob der Saudi Pro League ein ähnliches Szenario droht, bleibt abzuwarten. Angesprochen auf die Nachhaltigkeit der Saudi-Strategie attestierte der Sportpolitik-Experte Jürgen Mittag im Interview mit dem Portal „Web.de“: „Die eingesetzten Mittel sind so beträchtlich, dass ein längerfristiger Erfolg wahrscheinlich ist. (...) Dies um so mehr, da die natürlichen Ressourcen des Landes nicht unendlich sind.“
Ein Selbstläufer werde es „angesichts der überschaubaren Fußballkultur des Landes nicht. Angesichts der strategischen Dimension, die mit der nationalen ‚Vision 2030‘ im Sport verknüpft ist und angesichts des absehbar langen Atems der ‚Saudis‘ sind die Erwartungen berechtigt, dass dieses stark staatlich unterstützte Projekt erfolgreicher wird als die weitgehend durch private Unternehmen finanzierten Investitionen im chinesischen Ligafußball“, so Mittag.
Inwiefern sich die Liga sportlich mit den Top-Ligen Europas oder Südamerikas messen werden kann, steht ohnehin auf einem anderen Blatt, meint Klopp – „aber definitiv werden sich Dinge verändern“.